Wilde Malve hat Besuch

Wilde Malve hat Besuch

„Wären Sie bitte so nett…
und würden das Fenster aufmachen?“, fragt mich die Seminarteilnehmerin. An sich ist das nichts Ungewöhnliches, und doch stellen sich mir bei dieser Einleitung die Nackenhaare auf. Es ist ja immer interessant, was Wörter so bei uns auslösen. Besonders solche Floskeln, die wir alle oft gedankenlos nutzen – und uns gar nichts weiter dabei denken, denn wir wissen ja, wie wir es meinen.
Nun gibt es aber natürlich im Miteinander immer den Sender und den Empfänger. Darum ist es wichtig, immer mal zu hinterfragen, warum man auf bestimmte Dinge emotional reagiert – wie ich auf das „Wären Sie so nett?“.  Ich habe mir mal überlegt, was mich daran so stört:

1. Es ist keine klare Aussage
Je klarer ich formuliere, was ich möchte, umso größer die Chance, dass ich auch
das bekomme was ich brauche. Doch oft genug reden wir um den heißen Brei herum, statt die Fakten zu benennen oder verlieren uns in Details, die das Gegenüber eher verwirren. Sich klar und konstruktiv auszudrücken ist kein Hexenwerk, sondern jeder kann das lernen. Es fühlt sich übrigens auch ganz anders an, wenn man „Klartext“ spricht. Viel selbstbewusster tritt man für sich und seine Bedürfnisse ein. Das verändert auch die Wirkung … eine positive Kette kommt in Gang.

2. Ich höre eine Forderung und keine Bitte
Klar meint die Teilnehmerin nur „Könnten Sie bitte das Fenster öffnen?“, aber das „Wären Sie bitte so nett“ bringt mich gefühlsmäßig auf direktem Weg in eine emotionale Zwickmühle: Natürlich möchte ich freundlich und hilfreich sein.  Und genau das setzt mich unter Zugzwang, denn:

3. Ich werde als Mensch bewertet
Nur, wenn ich das tue, was nach diesem „Wären Sie so nett“ kommt, werde ich als Mensch positiv bewertet. Wenn ich diesen Erwartungen nicht entspreche, werde ich als Mensch negativ bewertet. Im Sinne der gewaltfreien Kommunikation ist diese Formulierung also keine Bitte sondern eine Forderung. Denn sie lässt völlig außer Betracht, dass ich gute Gründe dafür haben könnte, weshalb ich etwas nicht tue.  Klar klingt das jetzt wie Haarspalterei, und natürlich beabsichtigt das im Alltag kaum jemand.

Doch Worte wirken, und ganz besonders in diesen subtilen Formulierungen.
Übrigens, mit unserer Sprache manipulieren wir alle ständig, auch wenn wir das weit von uns weisen würden. Wer mehr darüber wissen möchte, dem empfehle ich das Buch von Marshall Rosenberg „Gewaltfreie Kommunikation. Eine Sprache des Lebens.“

Und falls wir uns demnächst mal im Seminar treffen, sagen Sie einfach „Mir ist zu warm. Könnten Sie bitte das Fenster öffnen?“